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Vision versus Realität: So viel Nachhaltigkeit steckt in der Berlin Fashion Week 2020


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Die Berlin Fashion Week 2020 verspricht alternative Wege zugunsten der Nachhaltigkeit. Wie nachhaltig sich die deutsche Modeindustrie auf der Panorama Berlin tatsächlich präsentiert und wie Berliner Designer über die Neuausrichtung der Modewoche denken, verrate ich dir hier.

Seit 2007 werden auf der Berlin Fashion Week gleich zweimal im Jahr Modenschauen und Messen für Fachpublikum und Öffentlichkeit abgehalten. Nicht nur für die Modekollektionen der zahlreichen Aussteller werden dabei enorme Ressourcen aufgewendet, sondern auch für die jeweils rund einwöchige Veranstaltungsreihe selbst. Die Berlin Fashion Week 2020 vom 13. bis 17. Januar hat sich auf die Fahne geschrieben, neben zukunftsweisenden Technologien auch nachhaltiger Mode eine Bühne zu geben – eine längst überfällige Neuausrichtung, die mich aufhorchen lassen hat. Doch wie viel Nachhaltigkeit wird in der Praxis der deutschen Modewelt bereits gelebt? Davon habe ich mir auf der Panorama Berlin ein Bild gemacht.

Panorama Berlin 2020: Neue Wege in neuer Event-Location

Panorama Berlin 2020 Flughafen Tempelhof
Erstmals luden die Panorama Berlin und die Selvedge Run & Zeitgeist in den stillgelegten Flughafen Tempelhof. (Bild: JUNOTICE/Judith Heine)

In diesem Jahr präsentiert sich die Panorama Berlin zusammen mit der Selvedge Run & Zeitgeist erstmals auf dem Flughafen Tempelhof. Bereits der Weg durch die nostalgische Eingangshalle in Richtung Flugfeld versprüht ein ganz eigenes, aber dennoch äußerst stilvolles Flair. Unter dem Motto „Rebel with a cause“ möchte sich die Messe gegen die starren Geflechte der trägen Mode-Maschinerie auflehnen. Eine klare Neuausrichtung soll die Lösung bringen. Doch wie gut gelingt das?

Panorama Berlin 2020 Flughafen Tempelhof
Die Haupthalle vom Flughafen Tempelhof zur Panorama Berlin 2020 (Bild: JUNOTICE/Judith Heine)

Nach dem Einlass wartet in der Outdoor-Area bereits eine Brand Avenue mit Pop-Up-Pavillons der ersten Aussteller. Ein erlebbarer Lifestyle sowie emotionale Brand-Inszenierungen stehen hier laut Website der Messe unter dem Motto „New View“ im Fokus. So weit, so gut. Rein visuell findet sich vom Nachhaltigkeitsgedanken hier jedoch keine Spur, die mich in einen der Cubes zieht. Ganz anders in Hangar 5.

Panorama Berlin 2020 Flughafen Tempelhof
Auf dem überdachten Vorfeld präsentierten sich erste Marken in Pop-Up-Pavillons. (Bild: JUNOTICE/Judith Heine)

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Große Pläne mit viel Luft nach oben

Beim Betreten von Hangar 5 springt mir die Nachhaltigkeit zumindest einmal visuell in Großbuchstaben entgegen. Slogans und Charts, welche auf die begrenzten Ressourcen unserer Erde hinweisen oder den nachhaltigen Umgang mit diesen herausstellen, reihen sich in unmittelbarer Nähe ein. Nach wenigen Standmetern ist dann aber auch vorerst Schluss.

Panorama Berlin 2020 Flughafen Tempelhof
Nachhaltigkeit sollte das große Thema der Berlin Fashion Week 2020 und somit auch auf der Panorama Berlin werden. (Bild: JUNOTICE/Judith Heine)

Während ich mich von Gang zu Gang vorarbeite, blitzt hier und da immer mal wieder ein Stand hervor, der sichtbar auf seine Anstrengungen im Sinne der Nachhaltigkeit hinweist. Die meisten der Panorama-Aussteller üben sich diesbezüglich jedoch noch in Zurückhaltung.

„Nachhaltigkeit steht auf jeden Fall auf der Agenda, aber in Deutschland ist es noch der Anfang.“ – Zisan Buga, Co-Founder vom Berliner Label Zamt

„Nachhaltigkeit steht auf jeden Fall auf der Agenda, aber in Deutschland ist es noch der Anfang“, meint dazu Zisan Buga, Co-Founder und Director des Berliner Lifestyle-Accessoire-Labels Zamt, auf deren minimalistische Designs ich auf meinem Rundgang aufmerksam geworden bin. „In der Schweiz ist es ein größeres Thema. Das äußert sich in dem Maße, dass es auch mehr Boutiquen gibt, die sich komplett auf Nachhaltiges konzentrieren, komplett das Sortiment nachhaltig auswählen. Da gibt es auch eine Nachfrage, die höher ist. Deutschland ist da preisbewusster.“ Bei Zamt selbst wird bereits entgegen der Fast-Fashion-Mentalität besonderen Wert auf die Zeitlosigkeit der Produkte gelegt. Die Taschen und Accessoires werden zudem ausschließlich mit pflanzlich gegerbtem Leder von Familienunternehmen in Italien und Portugal handgefertigt.

 

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Small Business Support für authentische Nachhaltigkeit

In der Concept-Store-Area in Hangar 5 fällt mir der Stand von Anna Chkolnikova auf, die sich bei der Präsentation ihrer Marke Madamezorro ohne viel Schnickschnack und mit Erfolg auf das Wesentliche konzentriert: Ihr Produkt – handgefertigter Biostoff-Schmuck. Die Gründerin arbeitet in ihrem Berliner Atelier ausschließlich mit hochwertiger Bio-Baumwolle vom Berliner Stoffproduzenten Lebenskleidung, das verarbeitete Metall stammt aus einer kleinen Fabrik aus Bayern.

 

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„Wenn sich nur jedes Modeunternehmen ein bisschen verkleinern würde, wäre das schon super.“ – Anna Chkolnikova, Gründerin vom Berliner Label Madamezorro

Dass sich Anna bei der Produktion ihrer nachhaltigen Mode-Accessoires komplett auf die Zusammenarbeit mit Kleinunternehmen begrenzt, kommt nicht von ungefähr: „Je kleiner das alles wird, desto besser“, ist sie sich hinsichtlich der Nachhaltigkeit sicher. So könne der Überproduktion zugunsten einer bedarfsgerechten Produktion entgegengewirkt werden. „Als ich zum ersten Mal die Messe gemacht habe, dachte ich ‚Oh, ich bin so klein, das ist peinlich für mich‘. Und jetzt nach ein paar Jahren bin ich stolz, sagen zu können, dass ich klein bin. Wenn sich nur jedes Modeunternehmen ein bisschen verkleinern würde, wäre das schon super.“

Erkennbar kleine Unternehmen finden sich auf der Ausstellungsfläche der Panorama allerdings verhältnismäßig wenige. Ich kann mir vorstellen, dass dies unter anderem mit den sicherlich nicht unerheblichen Standmieten der Messe zu tun hat, die ein Kleinunternehmen erst einmal aufbringen muss. Dabei müssten doch gerade im Hinblick auf die angestrebte Neuausrichtung nachhaltig produzierende Kleinbetriebe dort eine größere Plattform bekommen. Schließlich sind es doch sie, die nicht auf Masse, sondern entgegen dem überhöhten Modekonsum auf Slow Fashion setzen.

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Selvedge Run & Zeitgeist 2020: Mit gutem Beispiel voran

Dass es mit deutlich größeren Schritten im Sinne der Nachhaltigkeit vorangehen kann, wird hoffnungsvollerweise in den Räumlichkeiten der 10. Selvedge Run & Zeitgeist deutlich. Diese sind in Hangar 5 und 6 erkennbar separiert seitlich entlang der offenen Ausstellungsfläche der Panorama zu finden.

Selvedge Run & Zeitgeist 2020 Flughafen Tempelhof
In den Räumlichkeiten der Selvedge Run & Zeitgeist war die Leidenschaft für das nachhaltige Handwerk besonders spürbar. (Bild: JUNOTICE/Judith Heine)

Auf den ersten Blick ist hier direkt ein gänzlich anderes Look-and-feel zu spüren. Wo gerade noch die Formen und Farben von überwiegend zeitlos klassischem Schick herrschten, kommt nur eine Tür entfernt rustikales Werkstatt-Flair auf. Die Liebe zum Handwerk liegt hier förmlich in der Luft. „Ein Zuhause für Marken mit Charakter und authentischen Geschichten, die sich durch starke Produkte und nachhaltige Produktionstechniken auszeichnen“ soll dieser Messe-Bereich laut selvedgerun.com ausmachen – ein gelungenes Projekt, wie sich auch am einladend farbenfrohen Stand von Kuniri zeigt.

„Wir achten sehr auf Nachhaltigkeit, denn wir können schwer mit Flüchtlingen etwas verarbeiten, was ein Grund dafür ist, dass später noch mehr Leute zu uns flüchten müssen.“ – Saskia Theis, Kreative Leitung Kuniri Berlin

Übersetzt ins Deutsche bedeutet Kuniri so viel wie „Gemeinsam gehen“ – und der Name ist Programm: Die zwei Kollektionen der Akademie sind gemeinsam mit Flüchtlingen aus unterschiedlichsten Ländern in Werkstätten in Berlin und München entstanden. Besonders wichtig ist dem unterrichtenden Team der kostenlosen Nähkurse, dass sich die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe aller Beteiligten im Design der Mode wiederfinden. „Wir wollten das als Bereicherung auffassen und den Leuten hier eine Plattform geben“, verrät mir Saskia Theis, Kreative Leitung der Werkstatt Berlin. Nur logisch, dass nachhaltiges Arbeiten dabei höchste Priorität hat: „Wir achten sehr auf Nachhaltigkeit, denn wir können schwer mit Flüchtlingen etwas verarbeiten, was ein Grund dafür ist, dass später noch mehr Leute zu uns flüchten müssen.“

 

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Seine ausgefallenen Ethno-Stoffe aus fairer und nachhaltiger Produktion bekommt Kuniri von Karlotta Pink. Die Stofflieferantin aus Augsburg arbeitet fast ausschließlich direkt und ohne Zwischenhändler mit lokalen Produzenten aus aller Welt zusammen.

Panorama Berlin 2020 Kuniri
Am Messestand von Kuniri, v. l. n. r.: Stofflieferantin Karlotta Pink, Geschäftführerin Viola Zimmer, Kreative Leitung Berlin Saskia Theis, Kreative Leitung München Emine Capartas, Kursteilnehmer Hanna (Bild: JUNOTICE/Judith Heine)

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In aller Munde: Greenwashing statt konsequente Nachhaltigkeit

Wen auch immer ich auf der Berlin Fashion Week 2020 zur Nachhaltigkeit befrage: Früher oder später fällt das Worte „Greenwashing“. Statt ganzheitlich soziale und ökologische Verantwortung zu übernehmen, greifen viele Modeunternehmen immer noch bewusst zu dem Täuschungsmanöver. „Seht her, wir sind nachhaltig!“, soll dem Verbraucher zum Beispiel mit einer einmalig nachhaltig produzierten und limitierten Mini-Kollektion vermittelt werden – während das restliche Sortiment weiter fernab jeglicher Nachhaltigkeit hergestellt wird. Hier wird deutlich: Auch wir als Konsumenten sind in der Pflicht!

Je bewusster wir kaufen, desto größer ist die Chance, dass sich langfristig etwas tut.

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Verantwortung als Verbraucher übernehmen

Ein Wandel in der Modeindustrie zugunsten einer ganzheitlichen Nachhaltigkeit wird ein Wunschgedanke bleiben, wenn wir uns als Verbraucher nicht selbst in die Verantwortung nehmen. Dabei geht es nicht nur um die Art unseres Konsumverhaltens – Stichwort Online-Handel. Neben dem „Wie“ müssen wir uns schnellstmöglich und zunehmend auch mit dem „Was“ und „Von wem“ auseinandersetzen, wenn wir tatsächlich etwas verändern wollen.

Die Modewelt ist und bleibt ein Absatzmarkt unserer Konsumgesellschaft, der auf die Sicherung, vor allem aber auf die Steigerung unseres Verbrauchs für volle Kassen abzielt. In diesem System steckt jedoch auch unsere Chance als Verbraucher, etwas aktiv ändern zu können, denn: Wo nichts verkauft wird, kommt nichts rein und wo nichts reinkommt, ist man über kurz oder lang gezwungen umzudenken – so auch betroffene Unternehmen der Modeindustrie. Je bewusster wir also kaufen, desto größer ist die Chance, dass sich langfristig etwas tut.

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Berlin Fashion Week 2020: Nachhaltige Mode vs. nachhaltige Messe

Nachhaltiger Mode eine Bühne zu geben ist die eine Sache. Im Sinne der Nachhaltigkeit zu hinterfragen, wie das Bühnenbild zustande und das Publikum zusammen kommt, die andere. Für die Panorama Berlin 2020 reist ein Großteil der Besucher oft nur für einen Tag mit dem Flieger an, für Gäste werden mit Kleinbussen Transfer-Shuttles gestellt, in den Pop-Up-Pavillons und Hangars wird mehr geheizt als in so manchem Wohnzimmer und die meisten der hier präsentierten Ausstellungsstücke schaffen es vermutlich nie in den Verkauf, sondern werden nach der Messe weggeschmissen. Eine Ausgestaltung, die es – vor allem in Anbetracht der inhaltlichen Neuausrichtung – mehr als zu hinterfragen gilt.

Muss das sein? Eine Frage, die man sich auch in Bezug auf die Häufigkeit der Berlin Fashion Week stellen muss. Ja, es gibt vier Jahreszeiten. Aber wenn wir diese bisher schon auf zwei Modewochen jährlich herunterbrechen konnten, werden wir künftig auch mit einer im Jahr auskommen können, oder? Immerhin tut sich spürbar etwas in der Theorie: „How To Detox An Industry“, „Regenerative Textile“ und „Let’s Unfuck The World – Ok Boomer?“ lauten nur drei Vortragstitel im Rahmen der Panorama Berlin 2020. „Solche Vorträge waren bisher nicht üblich auf Modemessen. Klar ist es noch in der Theorie, aber immerhin ist sie da“, meint Saskia von Kuniri dazu. „Ich habe Hoffnung, sonst würde ich sowas nicht mitmachen.“

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„Beim Essen hat’s ja auch geklappt. Früher waren mal die, die im Reformhaus eingekauft haben, die Spinner. Und jetzt ist es schicker, wenn du vegan isst und dir was Gutes gönnst und Bio. Die Hipster machen das, es ist in, es ist ein Lifestyle geworden. Das muss bei der Mode auch gehen“, zeigt sich Saskia optimistisch. Tatsächlich ist das ein anspornendes Argument aus der Praxis und zugleich ein gutes Schlusswort, das auch mich hoffnungsvoll stimmt: Da geht noch was – lasst uns die Theorie langfristig zur Praxis machen!

Lesetipp: Grüne Woche 2020: So schmeckt die Zukunft unserer Ernährungsindustrie

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